Der unabhängigen Kunst und Kultur steht das Wasser schon lange bis zum Hals, und das nicht erst seit der COVID-19 Krise. Die angekündigte Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets um 30 Millionen Euro ist ein wichtiger erster Schritt, droht aber die Lage nur vorübergehend zu mildern. Prozentuell betrachtet sinkt der Anteil der Kunst- und Kulturausgaben am Gesamtbudget. Ein Kommentar zum Stand der Budgetentwicklung.

Das Kunst- und Kulturbudget des Bundes ist für 2021 mit 496 Millionen angesetzt und wird damit um 30 Millionen angehoben.[1] Das entspricht einer Steigerung von 6% im Vergleich zum veranschlagten Kunst- und Kulturbudget 2020.[2] Jede Erhöhung der Mittel für Kunst und Kultur ist grundsätzlich zu begrüßen. Und oberflächlich betrachtet ist dies eine nie dagewesene Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets. Aber dieses Jahr ist vieles Realität, was noch nie dagewesen ist. In Relation zum Gesamtbudget sinkt der Anteil der Kunst- und Kulturausgaben des Bundes von aktuell 0,6% auf 0,5% im Jahr 2021. Umso wichtiger ist, dass die COVID-19 bezogenen Unterstützungsleistungen klar vom regulären Kunst- und Kulturbudget getrennt sind und ausschließlich aus den COVID-Krisenbewältigungsfonds finanziert werden. Andernfalls wird aus einem Schritt in die richtige Richtung der Weg in einer Sackgasse.  


Wohin fließen die zusätzlichen 30 Millionen Euro? 

Ob und wieviel die unabhängigen Kulturszene davon wirklich profitiert, ist aus den öffentlichen Budgetdaten nicht seriös zu beantworten. Die Budgetdaten, die vom Nationalrat als rechtsverbindliche Ausgabenobergenzen beschlossen werden, sind alles andere als aussagekräftig. Sämtliche für den freien Bereich relevanten Förderungen, gleich welcher Sparte, sind in einer einzigen Zahl zusammengefasst, die aber ebenso Förderungen bzw. Transferzahlungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen wie Salzburger Festspiele und Co. enthält. Transparenz über geplante Mittelverteilung und Schwerpunktsetzungen aus Basis der Budgetbeschlüsse – gleich Null. Lediglich die Budgetierung für den Denkmalschutz und die Bundeskultureinrichtungen sind eigens ausgewiesen. 
 

Die Intransparenz der Budgetdaten ist ein Grundproblem. Klarheit herrscht de facto immer erst eineinhalb Jahre später, wenn der Kunst- und Kulturbericht veröffentlicht wird, die Debatte aber längst woanders ist. Zu erfahren, wie viele Mittel etwa für welchen Sparte vorgesehen sind, ist aktuell schlicht nicht möglich oder eher – politisch nicht gewollt. Einzig politische Ankündigungen und extra budgetierte Sondermaßnahmen geben Anhaltspunkte, wie denn nun konkret die Mittelaufteilung geplant ist. 


Politische Ankündigungen sind der einzige Anhaltspunkt, wie die Mittelverteilung tatsächlich geplant ist. Finanz- und ExKulturminister Gernot Blümel freute sich jedenfalls in seiner Budgetrede, dass durch die zusätzlichen 30 Millionen für Kunst und Kultur auch die Festspielhäuser in Salzburg und Bregenz saniert und die EU-Kulturhauptstadt 2024 Bad Ischl mitfinanziert werden können.[3] Angesichts der Tatsache, dass unabhängigen Kultureinrichtungen, Kunst- und Kulturschaffenden das Wasser schon lange bis zum Hals steht – und dies nicht erst seit der COVID-19 Krise – ein katastrophales Signal. Es bleibt zu hoffen, dass dies lediglich die türkisen Seite des tükis-grünen Budgetdeals für Kunst und Kultur darstellt. 

Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer hat sich bislang nur in einer kurzen Presseaussendung zum Budget[4] geäußert. Demnach sollen 9 Millionen Euro in die geplanten Sanierungsprojekte der Festspielhäuser in Salzburg und Bregenz gehen. 12 Millionen Euro sollen in die Erhöhung einzelner Förderungen fließen, für „Sonderprojekte, Internationalisierungsprojekte in verschiedenen Sparten, Sanierungen sowie die Europäische Kulturhauptstadt 2024 Bad Ischl“ sind rund 9 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln veranschlagt. Ob die angekündigten zusätzlichen 12 Millionen Euro in eine nachhaltige Stärkung der freien Szene und ihrer Strukturen investiert werden oder in einmaligen Sondertöpfen und Aufstockungen aufgehen, bleibt abzuwarten. Langfristig gesehen, soll das Budget nach einer weiteren Erhöhung 2022 (aktuell sind plus 30 Millionen avisiert) jedenfalls wieder deutlich absinken.[5] 
Die im Regierungsprogramm angekündigte Valorisierung von Förderungen ist damit wohl abgesagt. Auch das Ziel Fair Pay für Arbeit in Kunst und Kultur – bzw. der Minimalanspruch, durch verbindliche Untergrenzen der Spirale des Lohndumpings in öffentlich geförderten Projekten entgegenzuwirken – rückt mit dieser Budgetprognose in weite Ferne. 
 

Gestaltungsanspruch statt Mangelverwaltung

Aktuell scheint das unmittelbare COVID-19 Krisenmanagement auf politischer Ebene alle Ressourcen zu binden. Ein Dialog über inhaltliche Schwerpunkte und Strukturmaßnahmen, die nicht nur über bzw. aus der Krise führen sondern eine nachhaltige Perspektive geben, hat bislang nicht stattgefunden. 

Immer mehr Studien und Erhebungen belegen[6], was Interessenvertretungen schon lange aufzeigen: eine Rückkehr zur „gewohnten Normalität“ in der Kulturpolitik stellt keine Lösung dar – zumindest nicht, wenn das im Budget definierte Wirkungsziel „stabile Rahmenbedingungen für die künstlerische und kulturelle Arbeit abzusichern und zu verbessern“ erreicht werden soll. Denn auch dies ist Budgetpolitik: Die Festlegung von Wirkungszielen und Meilensteinen, die die Regierung mittel- und langfristig durch den Einsatz öffentlicher Mittel in der Gesellschaft anstrebt; Und an deren Erreichung sie sich in Folge messen lassen muss. 

Hier finden sich durchwegs ambitionierte Ansatzpunkte in den Ausführungen zum Kunst- und Kulturbudget über Fair Pay und stabilen Rahmenbedingungen hinaus: etwa das Bekenntnis, die Partizipation und Auseinandersetzung mit Kunst stärken zu wollen, die Debatte weg von Finanzierungsfragen hin zu Inhalten und der Auseinandersetzung mit diesen zu bringen. Nur wie diese Ziele erreicht werden soll, bleibt offen. Es ist höchst an der Zeit, aus Mangelverwaltung zu einem Gestaltungsanspruch zu kommen, um nachhaltige Rahmenbedingungen zu gestalten – im transparenten Dialog, bevor und nicht nachdem Fakten geschaffen werden.

1  Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021, Detailinformationen zum Budgetvoranschlag für Kunst und Kultur 2021 sich im Dokument „BFG 2021 samt Anlagen I-III“ ab Seite 381
2  siehe unter anderem Analyse des Budgetdienst zum Bundesvoranschlagsentwurf 2020, Kunst und Kultur
3  Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel am 14.10.2020
4  Presseaussendung vom 14.10.2020, Kulturbudget steigt um 30 Millionen Euro
5  Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024
6  siehe beispielhaft Erhebung Armutsbetroffenheit und Coronakrise, Studie erstellt durch Armutskonferenz im Auftrag des Sozial- und Gesundheitsministerium vom 08.10.2020; die die Arbeitsbedingungen in Kunst und Kultur in „normalen Zeiten“ als von „missachtend, existenzgefährdend und daher verletzend“ charakterisiert; Ökonomischen Bedeutung der Kulturwirtschaft und ihre Betroffenheit in der COVID-19-Krise, Studie erstellt durch WIFO im Auftrag des BMKOES vom Juni 2020, die vor einer „Zweiklassengesellschaft“ in Kunst und Kultur warnt.