Nach öffentlichen Bekenntnissen zu Fair Pay, aufwendigen Erhebungen und einer bereits kolportierten Budgeterhöhung von rund 1 Million Euro jährlich gibt es von der steirischen Landesregierung nur vage Aussagen und keine konkreten Entscheidungen.
Nachdem die IG Kultur Österreich mit ihren Landesorganisationen mehr als 10 Jahre für Fair Pay gekämpft hat, wurde im Juni 2022 endlich eine gemeinsame Fair-Pay-Strategie der Gebietskörperschaften präsentiert. In dieser haben der Bund, die Länder sowie der Städte- und Gemeindebund ihre gemeinsame Verantwortung für die Finanzierung von Kunst und Kultur festgelegt sowie ihre Bereitschaft, künftig einen größeren Beitrag zu fairer Bezahlung zu leisten, bekanntgegeben.
Was bisher geschah
Der Bund stellte im Jahr 2022 rund 6,5 Millionen Euro für zweckgewidmete Fair-Pay-Mittel zur Verfügung. Diese wurden 2023 auf 9 Millionen Euro aufgestockt und für das Jahr 2024 steht eine Summe von 10 Millionen Euro für Zuschüsse im Sinne einer fairen Bezahlung bereit. Auch die Länder haben sich bewegt. Das Land Salzburg hat österreichweit eine Vorreiterrolle eingenommen und als erstes Bundesland ein Modell zur Umsetzung von Fair Pay erarbeitet. Auf Basis einer Datenerhebung zum Finanzierungsbedarf wurde als Ziel definiert, 90 % des Fair-Pay-Schemas für Kulturarbeiter:innen binnen drei Jahren (2022-25) durch schrittweise Erhöhungen zu erreichen. Trotz eines Regierungswechsels – das Kulturressort wanderte von den Grünen zur ÖVP – hält die Strategie. Für 2024 hat das Land eine Million Euro veranschlagt und auch die Stadt Salzburg zieht mit rund 927.000 Euro Extra-Fair-Pay-Mitteln für 2024 mit. Einen anderen Weg nahm Niederösterreich. Dort gab die Landeshauptfrau im Jahr 2022 bei einer Veranstaltung bekannt, dass im Jahr 2023 eine Million Euro für faire Bezahlung in der freien Szene zur Verfügung stehen soll. Die gleiche Summe ist auch für das Jahr 2024 vorgesehen. Auch in Tirol wurde im Sommer 2022 eine Erhebung durchgeführt. Im Anschluss haben sich sowohl das Land Tirol als auch die Stadt Innsbruck dazu entschieden, die Förderungen im Jahr 2023 auf 80 % des Fair-Pay-Niveaus anzuheben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Landesregierung Tirol auch im Jahr 2024 Gelder freigegeben. Zu guter Letzt hat auch das Land Oberösterreich im Jahr 2023 eine Fair-Pay-Umfrage durchgeführt und für das Jahr 2024 eine Million Euro an Fair-Pay-Geldern zur Verfügung gestellt.
Und in der Steiermark? Bereits Anfang 2022 wurde parallel zum Kulturstrategieprozess eine Arbeitsgruppe Fair Pay ausgerufen, in der Vertreter:innen des Landes, der Stadt Graz und der Interessenvertretungen ein gemeinsames Vorgehen von Land und Stadt erarbeiten sollten. Diese Arbeitsgruppe lud im April 2022 unterschiedliche Akteur:innen verschiedener Initiativen und Institutionen aus der gesamten Steiermark zum einem Fair-Pay-Kick-Off, um einen Katalog an Vorschlägen auszuarbeiten, der als Ausgangspunkt für die Ermittlung des Fair-Pay-Gaps dienen sollte. Die Erhebung zur Ermittlung dieses Gaps wurde im Frühjahr 2023 vor dem Hintergrund durchgeführt, dass diese in Folge als Entscheidungsgrundlage für weitere politische Maßnahmen zur fairen Bezahlung im Kulturbereich dienen sollte. Doch anstelle mutiger Entscheidungen in Bezug auf Fair Pay herrscht in der Steiermark seitdem politische Stille.
Fehlende Entscheidungen
Auf diese Stille haben die Grünen im Juni 2023 mit einem Antrag zu Fair Pay und zu einer Valorisierung der Kulturförderungen reagiert. Im August 2023 antwortete die Landesregierung in einer Stellungnahme (siehe unten im Anhang) kurz zusammengefasst folgendermaßen: Zur Ermittlung des Fair-Pay-Gaps waren über 300 Kulturorganisationen mit einem Jahres- oder Dreijahresförderungsvertrag zur einer Erhebung eingeladen. 77 haben teilgenommen. Der errechnete Fair-Pay-Gap von rund 18 % ergibt für die an der Erhebung teilgenommenen Institutionen einen Gesamt-Finanzierungsbedarf von 2.211.146,00 Euro. Hochgerechnet auf die tatsächliche Anzahl von 146 mehrjährigen Förderungsverträgen im Erhebungsjahr 2022 steigt der Finanzierungsbedarf auf insgesamt 3.080.171,00 Euro bei einem Landes-Finanzierungsanteil von 1.018.793,00 Euro (24,3 %). Bei einer vollständigen Fair-Pay-Abgeltung und Inflationsanpassung belaufen sich die zusätzlich benötigten Mittel vom Land Steiermark bis zum Ende der laufenden Förderungsperiode für mehrjährige Förderverträge (31.12.2025) auf 5.933.747,60 Euro. Der genannte Finanzierungsbedarf wurde laut Stellungnahme im August 2023 im Rahmen der zum damaligen Zeitpunkt laufenden Budgetverhandlungen behandelt.
Das Budget 2024 des Landes Steiermark wurde im Dezember 2023 fixiert. In diesem Zusammenhang wurde auch das Kulturbudget mit einer Höhe von 85 Millionen Euro (dies entspricht einer Erhöhung um 8,2 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr)beschlossen. Wie viel die Landesregierung für Fair Pay auszugeben plant, wurde trotz unserer Nachfragen nicht kommuniziert. Nach der konkreten Summe haben sich auch die Abgeordneten der KPÖ und Grünen im Februar bei der Landesregierung erkundigt. Am 2. April 2024 hat die Landesregierung bekanntgegeben (siehe Antwort unten im Anhang), dass finanzielle Mittel für Fair-Pay-Maßnahmen reserviert sind und im Jahr 2024 ausbezahlt werden, doch es könne „kein konkreter Finanzbedarf und somit auch keine dem gegenüberstehende finanzielle Ressource seitens des Landes Steiermark beziffert werden“, da die Fair-Pay-Maßnahmen auf „Antragsbasis der Förderungsnehmer*innen erfolgen sollen“. Diese rätselhafte, schriftliche Anfragebeantwortung der Landesregierung steht im Widerspruch zur Stellungnahme aus dem August 2023 und eröffnet weitere Fragen: Welche Mittel hat die Landesregierung im Budget 2024 reserviert, wenn sie sie nicht beziffern kann? Stimmen diese Mittel mit den Beträgen (eine Million für 2024 bzw. 6 Millionen Euro bis Ende 2025), die das Land in der Stellungnahme im August 2023 festgelegt hat, überein? Plant das Land den bestehenden Fair-Pay-Gap im Jahr 2024 zur Gänze zu schliessen? Sind die Fair-Pay-Mittel als Teil des regulärenFörderbudgets gedacht oder unterliegen diese einer Zweckwidmung aus der Sport- und Kulturabgabe wie beim s.g. „Materl-Call 2.0“?
Zusätzlich stellt sich die Frage, wozu das Land einen so aufwendigen undlangwierigen Prozess benötigt hat, um am Ende eine derart vage und unklare Aussage zu treffen? Trotz einer bereits seit zwei Jahren andauernden Arbeit an einer gemeinsamen Strategie des Landes Steiermark und der Stadt Graz ist noch immer nicht klar, wann, wie und in welchem Ausmaß die ersten Schritte zu fairer Bezahlung umgesetzt werden. Die Stadt Graz war schon im Jahr 2023 bereit eine Summe von 600.000 Euro für Fair-Pay-Maßnahmen auszugeben. Dennoch wartete sie, um die Vereinbarung mit dem Land nicht zu brechen, auf einen Vorschlag von Seiten des Landes statt einen Alleingang durchzuführen. Somit wurde die Umsetzung auf das Jahr 2024 verschoben, ohne dass im Jahr 2023 ein Betrag ausgezahlt wurde. Gut für das Stadtbudget, schlecht für die Fördernehmer:innen.
Während der Bund und einzelne Bundesländer ihre Verantwortung für die sozial- wie auch arbeitspolitischen Auswirkungen ihrer Förderpolitik übernommen haben und eine Verbesserung der sozialen sowie ökonomischen Lage der Kunst- und Kulturarbeiter:innen schrittweise umsetzen, wurden die Kulturakteur:innen in der Steiermark mit einem „Bitte warten!“ vertröstet. Dieses mangelnde Verantwortungsbewusstsein der steirischen Landesregierung und des Kulturreferenten LH Christopher Drexler gegenüber der freien Szene, verschärft die prekäre Lage zahlreicher steirischer Kulturinitiativen, die durch die Belastung aufgrund von Inflation und Teuerung ums Überleben kämpfen. Besonders betroffen sind Kulturinitiativen in den Regionen. Während der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler einen Teuerungsausgleich sowohl für das Jahr 2023 als auch für 2024 und 2025 für die Grazer Kulturinitiativen freigestellt hat, sieht LH Drexler trotz mehrmaliger Aufforderung anscheinend noch immer keinen Bedarf, diesbezüglich aktiv zu werden.
Die steirische Landesregierung hat ihr Bekenntnis „zu den durch die Interessenvertretungen vorgeschlagenen Richt- und Mindestgagenmodellen wie Fair Pay“ im Regierungsprogramm Agenda Weiß-Grün festgelegt. Sie hat das Kulturbudget in den letzten drei Jahren sukzessive erhöht. Und trotzdem: Sie hat dabei keine einzige Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen der freien Szene in der Steiermark umgesetzt. Die Regierungsperiode endet im Herbst. Entpuppt sich das Bekenntnis zu Fair Pay also nur als ein Lippenbekenntnis? Es ist höchste Zeit, das Versprechen aus dem Regierungsprogramm sofort einzulösen, endlich Transparenz über das Budget herzustellen und rasch die reservierten Mittel für Fair-Pay-Zuschüsse der freien Szene zur Verfügung zu stellen.
Downloads:
Stellungnahme der Landesregierung 10.8.2023.pdf 38.64 KB
Schriftliche Anfragebeantwortung Landesregierung 2.4.2024.pdf 82.33 KB