Auch in einem kulturpolitisch scheinbar ruhigen Sommer wurden die Debatten und Überlegungen rund um Fair Pay intensiv weitergeführt. Ein Überblick über die Geschehnisse der vergangenen Monate.


Vor dem Sommer wurde in diversen Gesprächen kommuniziert, dass weitere Schritte zu Fair Pay in der Steiermark im Rahmen der Kulturstrategie 2030 am 12. September 2023 beim Fest für Kunst und Kultur präsentiert werden. Die Hoffnungen waren da, dass nach politischen Bekenntnissen, konstruktiven Gesprächen und der Fair Pay-Erhebung, im Herbst konkrete Schritte angekündigt werden.


Doch knapp davor ist in der Stadt wieder einmal eine medial ausgetragen Debatte entbrannt. Der Auslöser war zum wiederholten mal die Inflationsanpassung der Bühnen Graz. Laut einem Artikel der Kleinen Zeitung sollten die für die Bühnen fehlenden Gelder aus dem Teil des Kulturbudgets entnommen werden, der eigentlich für Fair Pay im Jahr 2023 reserviert ist. In Folge unserer Nachfrage war zwei Tage später in einer Presseaussendung von Finanzstadtrat Eber (KPÖ) zu lesen, dass die 600.000 Euro für Fair Pay dem Kulturstadtrat zur Verfügung stünden und „bereits im Budget veranschlagt und freigegeben“ seien. Diese Aussage wird von Kulturstadtrat Riegler (ÖVP) allerdings bestritten. In einem Online-Kommentar (siehe Screenshot unten) teilt er mit, dass die Mittel für Fair Pay als „zusätzliche Förderschiene“ gedacht seien, die über eine normale Erhöhung hinaus gehen sollen. Er verfüge in seinem Kulturbudget nicht über solche Gelder. Dazu sind zwei Punkte anzumerken: 

(1) Während die Verhandlungen für die Inflationsanpassung der Bühnen schon fortgeschritten sind, gibt es noch immer keine Informationen wie genau die Inflationsanpassung der mehrjährigen Förderverträge, die bereits im Gemeinderat im Dezember 2022 beschlossen wurden, im Jahr 2024 umgesetzt wird. 

(2) Laut der Presseaussendung des Finanzstadtrats ist die Verwendung der 600.000€ im Budget an ein vorgelegtes Fair Pay-Konzept gebunden, das schon im Jahr 2023 wirksam werden soll. Wenn in diesem Jahr kein Konzept wirksam wird, könnten die Mittel „anderweitig im Kunst- und Kulturbereich“ eingesetzt werden.

Die gegenseitigen Abhängigkeiten


Das Fair Pay-Konzept sollte in Absprache zwischen Stadt und Land im Rahmen der Kulturstrategie 2030 entwickelt werden. Dazu wurde am Anfang des Jahres 2022 eine Fokusgruppe Fair Pay mit der Beteiligung der Vertreter:innen der Kulturabteilung des Landes (Evelyn Kometter und Gero Tögl), des Kulturamts der Stadt Graz (Michael Grossmann), den Interessengemeinschaften (Lidija Krienzer-Radojevic, IG Kultur Stmk und Katharina Dilena, Das andere Theater) sowie der Kulturstrategie 2030 (Heidrun Primas) zusammengesetzt. Sie wurden beauftragt eine Fair Pay-Erhebung zu erstellen und durchzuführen. Die Erhebung zur Ermittlung des aktuellen Fair Pay-Gaps sollte den spezifischen Fair Pay-Bedarf ableiten, der als eine Grundlage für die Erstellung eines Fair Pay-Konzepts dienen soll. Nach dem durchgeführten Prozess sollte die Fokusgruppe die Empfehlungen für ein Fair Pay-Konzept der Politik vorlegen, das finale Konzept sollte aber von kulturpolitischen Verantwortlichen auf Stadt- und Landesebene beschlossen werden. Gedacht war es als ein mehrstufiges, gut abgestimmtes Vorgehen zwischen Körperschaften, das über mehrere Jahre getragen wird.

Doch nach der Präsentation der Kulturstrategie 2030 am 12. September 2023 ist es unklar geblieben, ob der Landeshauptmann Drexler (ÖVP) eine Budgetvorsorge für Fair Pay im Jahr 2023 getroffen hat. Statt einen Fahrplan zum Thema zu präsentieren, hat er in seiner Rede nur sein grundsätzliches Bekenntnis zu fairen Arbeitsbedingungen im Kulturbereich wiederholt, obwohl im Hintergrund ständige politische Debatten rund um Fair Pay laufen.

Schon im April hat der Gemeinderat der Stadt Graz eine von GRin Aygan-Romaner (Grüne) initiierte Petition an den Steiermärkischen Landtag geschickt, in der das Land ersucht wird, budgetäre Vorsorge sowohl für den angestrebten Fair Pay-Prozess als auch für eine Valorisierung der Kulturförderungen zu treffen. StR Riegler (ÖVP) wurde gebeten diese Gespräche zu führen. Gemeinderätin Unger (ÖVP) hat mit einem Abänderungsantrag reagiert, in dem sie schon damals die fehlenden Mittel für Fair Pay im Kulturbudget der Stadt angesprochen hat. Weiters hat im Juni der Landtagsabgeordnete Schwarzl (Grüne) einen Antrag zu Fair Pay und einer Valorisierung der Kulturförderungen an die Landesregierung gestellt.


Im August hat die Landesregierung dazu eine Stellungnahme (siehe Dokument unten) abgegeben. Kurz zusammengefasst steht dort: Zur Ermittlung des Fair Pay-Gaps waren über 300 Kulturorganisationen mit einem Jahres- und Dreijahresförderungsvertrag eingeladen. 77 haben an der Erhebung teilgenommen. Der errechnete Fair Pay-Gap von rund 18 % für die teilnehmenden Institutionen ergibt einen Gesamt-Finanzierungsbedarf von € 2.211.146,00. Hochgerechnet auf die tatsächliche Anzahl von 146 mehrjährigen Förderungsverträgen im erhobenen Jahr 2022 steigt der Finanzierungsbedarf auf insgesamt € 3.080.171,00 bei einem Landes-Finanzierungsanteil von € 1.018.793,00 (24,3%). Bei einer vollständigen Fair Pay-Abgeltung und Inflationsanpassung belaufen sich die zusätzlich benötigten Mittel vom Land Steiermark auf € 5.933.747,60 bis zum Ende der laufenden Förderungsperiode für mehrjährige Förderverträge (31.12.2025).

Gerundet auf 6 Mio. Euro hat die Kronen Zeitung in einer Notiz diese Daten im September an die Öffentlichkeit weitergegeben (siehe Foto unten). Der genannte Finanzierungsbedarf wird laut Stellungnahme im Rahmen der aktuellen Budgetverhandlungen behandelt. Ein Maßnahmenkatalog „soll im Zuge der weiteren Arbeit der Fokusgruppe Fair Pay/Förderungswesen gemeinsam mit der Stadt Graz erarbeitet und zur gegebenen Zeit vorgelegt werden.“ Der genaue Zeitpunkt wurde hier nicht genannt, was zur Vermutung führte, man wollte auf die Ergebnisse der Kulturstrategie warten.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten


Bei der Veranstaltung zur Umsetzungsphase der Kulturstrategie 2030 am 12. September wurden Handlungsempfehlungen entlang von fünf Themenfeldern präsentiert: „Förderungskultur“, „Regionale Profile und Kooperationen zwischen Initiativen und Institutionen“, „Kulturdrehscheiben in den Regionen“, „Bereichs- und ressortübergreifendes Arbeiten“ und „Zukunftswerkstätten“. Diese Themen werden ab Herbst 2023 in Fokusgruppen bearbeitet. Eine davon wird sich auch mit den weiteren Schritten zu Fair Pay auseinandersetzen. Wie sich diese Gruppe genau zusammensetzt und ob sie ein konkretes Fair Pay-Konzept noch im Herbst 2023 vorlegen wird, ist noch unklar.

Die Tatsache, dass die Stadtregierung den Beginn von Fair Pay im Jahr 2023 anstrebt, während vom Land noch kein Zeitpunkt genannt wurde, vertieft leider das bestehende Problem der unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Umsetzung von Fair Pay. Kultureinrichtungen, die eine Förderung vom Bund beziehen, können schon seit zwei Jahren auf Maßnahmen zur Schließung des Fair Pay-Gaps zurückgreifen, während andere, die nur von Land bzw. Stadt gefördert werden, noch immer auf eine politische Einigung in der Steiermark warten. Dies verstärkt die ohnehin schon ausgeprägten Asymmetrien und Ungleichheiten unter den steirischen Kulturakteur:innen.

Seit April 2022 warten sie auf konkrete Schritte, die eine Verbesserung der Bezahlung von Kulturarbeit bringen. In Anbetracht der komplexen Umstände und der aktuellen Lage scheint ein noch dieses Jahr startendes, gemeinsames Vorgehen zwischen Stadt und Land als unwahrscheinlich. Mit Blick auf die Landtags- aber auch die Nationalratswahlen 2024 riskiert man nun ein historisch günstiges Umsetzungszeitfenster des gleichzeitigen Interesses aller Körperschaften zu verpassen.

Deshalb erwarten sich die Kulturakteur:innen, dass sich die Verantwortlichen der Stadtregierung über die finanzielle Lage innerhalb des aktuellen Kulturbudgets (siehe dazu auch die Debatte um Sparbuchrücklagen des Kulturamtes) umgehend einigen und noch im Jahr 2023 eine Möglichkeit für die Auszahlung von Fair Pay-Zuschüssen finden. Um die Kulturinitiativen in den Regionen nicht noch weiter zu benachteiligen, sind konkrete Schritte inklusive Zeitpläne von Landesseite notwendig. Das gleiche gilt auch in Bezug auf die Valorisierung von mehrjährigen Förderverträgen. Während die Landesregierung keinen Bedarf für eine Inflationsanpassung im Jahr 2023 gesehen hat, haben die Grazer Kultureinrichtungen diese bekommen.

Wie soll es nun weitergehen?
 

Die breite und engagierte Beteiligung am gut aufgesetzten und moderierten Prozess zur Kulturstrategie 2030 hat gezeigt, dass es unter den Akteur:innen in der Steiermark ein hohes Bewusstsein für die zahlreichen Potentiale, aber auch für die Problemlagen im Kulturbereich gibt. Das gemeinsame Ziel der Kulturstrategie, eine vielfältige und nachhaltige Kulturlandschaft mit Zukunftsperspektive zu ermöglichen, kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Politik diese Arbeit, dieses Wissen sowie die Dringlichkeit von Verbesserungen anerkennt und die Änderungen im Kulturbereich mit den nötigen strukturellen und finanziellen Mitteln umsetzt. Die IG Kultur Steiermark wird sich dabei mit all ihrer zur Verfügung stehenden Expertise einbringen.

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