Die IG Kultur Österreich und ihre Landesorganisationen verhandeln Budgeterhöhungen bei allen Förderstellen, damit die Arbeit der Kulturarbeiter*innen und der Künstler*innen fair entlohnt wird.
Das Fair-Pay Manifest enthält Voraussetzungen und Umsetzungsschritte für eine faire Bezahlung im Kulturbereich. Weil nur eine faire Förderpraxis zu fairer Bezahlung führen wird.
Das Fair-Pay Manifest gibt es auch als Plakat. Für Euch. Für Euren Veranstaltungsraum. Für Euer Vereinslokal. Mehr Sichtbarkeit hilft uns bei der Umsetzung unserer Forderungen für eine faire Bezahlung. Ein Mail an office@igkultur.at genügt und wir schicken Euch unser Manifest als Plakat.
Das Fair Pay Manifest:
Die IG Kultur Österreich ist die Interessenvertretung von mehr als 800 autonomen Kulturinitiativen. Sie verhandelt im Auftrag ihrer Mitglieder Rahmenbedingungen für Kulturarbeit und setzt kulturpolitische Maßstäbe.
Ihre Aufgabe ist es, die schwierigen Arbeitsbedingungen in der freien Szene zu verbessern. Die freie Szene bildet die Basis für die kulturelle Nahversorgung und die kulturelle Partizipation der Bevölkerung. Sie ist existenziell für die künstlerische Nachwuchsarbeit und leistet einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein großer Teil dieser Arbeit wird ehrenamtlich erbracht. Oft freiwillig unbezahlt, oft aber auch unfreiwillig unbezahlt.
Viele Kulturangebote sind ökonomisch nicht in der Marktlogik verankert. Ihr besonderer sozialpolitischer und bildungspolitischer Wert für die Gesellschaft kann ausreichend nur durch Beiträge der öffentlichen Hand finanziert werden. Außerdem hat die Kunst- und Kulturförderung des Staates eine besondere Verantwortung in Bezug auf die Lebens- und Arbeitssituationen im Kulturbereich. Dieser Verantwortung wird sie nicht gerecht.
Die öffentliche Hand hat sich gesetzlich verpflichtet, Kunstproduktion und Kulturvermittlung zu fördern. Sie ist die letzte Institution, die, nach Kalkulation der Einnahmen und sonstiger Zuwendungen, Finanzierungslücken schließen kann. Obwohl sie sich dessen bewusst ist, dass sie mit der Höhe ihrer Förderung die Arbeitsbedingungen festlegt, nötigt sie in vielen Fällen die Fördernehmer*innen durch Minderung der an- gesuchten Förderhöhe, die Arbeit zu niedrigsten Löhnen bzw. Honoraren oder gar unbezahlt zu erbringen.
Nur eine faire Förderpraxis führt zu fairer Bezahlung!
Wir rufen die Bundesregierung, und im Speziellen das Staatssekretariat für Kunst und Kultur, sowie die Landesregierungen, Stadtregierungen und Gemeindeämter auf, die Verantwortung für die sozial- und arbeitspolitischen Auswirkungen ihrer Förderpolitik zu übernehmen und eine Verbesserung der sozialen und ökonomischen Lage der Kunst- und Kulturarbeiter*innen durch folgende Maßnahmen herbeizuführen:
VORAUSSETZUNGEN
Erhebung des Budgetbedarfs zur Anhebung der Gehälter und Honorare in geförderten Einrichtungen und Projekten.
Das Gallup Institut erhebt zurzeit im Auftrag des BMKÖS den Fair Pay Gap in Kulturvereinen und Einzelunternehmen. Darüber hinaus muss erhoben werden, welchen Fair Pay Gap es in Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Städte und der Gemeinden gibt. Diese Zahlen geben Aufschluss darüber, wie groß der Budgetbedarf bei gleichbleibender Streuung der Förderungen ist. Die Daten informieren auch über die prozentuelle Verteilung auf die verschiedenen Förderebenen .
Veröffentlichung der Ergebnisse des Fair Pay Gaps für alle Förderebenen.
Nur anhand der ermittelten und für alle einsehbaren Zahlen kann transparent und fair von und mit jed- er Förderstelle ein Aktionsplan zur notwendigen stufenweisen Anhebung der Förderungen erarbeitet werden.
UMSETZUNGSSCHRITTE
Budgetentwicklungsplan zur mittelfristigen Anhebung der Subventionen zur Schließung des Fair Pay Gaps.
Die fehlenden Mittel werden voraussichtlich nicht in einem Budgetjahr zur Gänze zur Verfügung stehen. Daher sind mittelfristige Budgetpläne über den Anstieg und die zielgerichtete Verwendung der Mittel in einem klar definierten Zeitrahmen zu erstellen.
Es geht hier um den zeitlichen Ablauf konkreter Budgeterhöhungen: Welche Förderungen zuerst angehoben werden müssen und in welchen nachvollziehbaren Schritten am Ende des mittelfristigen Budgetplans alle geförderten Projekte und Einrichtungen eine faire Förderung erreicht haben werden.
Valorisierung der Förderungen.
Gehälter und Honorare steigen genauso wie Strom- und Mietpreise jährlich. Entsprechend veränderlich ist auch der Förderbedarf. Förderungen müssen daher regelmäßig entsprechend angepasst bzw. indexiert werden.
Mittelfristige Fördervereinbarungen.
Institutionen mit Angestellten und längerfristigen Leistungsverträgen (Mieten, Ticketing, Künstler*innen-verträge etc.) unterliegen Vertragsbedingungen und rechtlichen Vorschriften, beispielsweise Kündigungsfristen. Die Förderpraxis, zu Jahresbeginn im Ungewissen über die Finanzierung der nächsten Monate zu sein, macht eine gewissenhafte Geschäftsführung unmöglich. Rollierende Mehrjahresverträge sichern Arbeitsplätze.
Klare Einreichungs- und Abrechnungsvorgaben in Bezug auf fair bezahlte Gehälter und Honorare.
Schon in der Antragstellung soll auf die faire Berechnung von Gehältern und Honoraren geachtet werden, dies muss auch in der Überprüfung des Antrags berücksichtigt werden. Freiwilliges Ehrenamt sollte klar abgegrenzt und ausgewiesen werden. Eine Vereinheitlichung der Antragsunterlagen und Abrechnungsmodalitäten für alle Förderebenen und die Anerkennung von fairer Bezahlung für alle Arbeitsleistungen ist ein wünschenswerter Schritt in Richtung Entbürokratisierung, der vor allem der Nachhaltigkeit von Fair Pay dient.
Keine Abhängigkeit von anderen Förderstellen.
Wenn sich nur eine Förderstelle entschließt, ihre Förderung auf Fair Pay Basis anzuheben und die anderen Ebenen nicht mitziehen, kann trotzdem eine der Erhöhung entsprechende Annäherung an faire Bezahlung stattfinden. Keinesfalls darf eine Förderebene eine Erhöhung ihrer Förderung für Fair Pay von der Zusage einer anderen Förderstelle abhängig machen.
Verbindliche Fristen für Antragserledigungen, um bei Projektstart zu wissen, ob Gehälter und Honorare bezahlt werden können.
Wenn die Erledigungen von Förderansuchen verzögert werden, riskieren Kulturarbeiter*innen einen unsicheren Projektstart, der private Haftungen nach sich ziehen kann. Verbindliche Fristen für Erledigungen erleichtern die Einschätzung, ob eine zeitgerechte Einreichung möglich ist und ob risikofrei in das Projekt gestartet werden kann.
Ausweisung der Kultureinrichtungen, die fair gefördert werden, durch ein Fair Pay Siegel.
Wenn eine Einrichtung ihren Subventionsbedarf zu 100% (auf allen Förderebenen) decken kann, muss garantiert sein, dass auch faire Honorare an Künstler*innen und andere Selbstständige ausbezahlt werden. Diese Institutionen werden mit einem Fair Pay Siegel gekennzeichnet. Dies sorgt für Transparenz und Fairness im Kulturbereich.
Die Umstellung der Förderpraxis auf faire Förderungen eröffnet weitere komplex vernetzte Aspekte, die mitbehandelt werden müssen:
Fair Pay für alle Arbeitsbereiche/Mischbetriebe.
In kulturellen Einrichtungen finden sich sehr gemischte Arbeitsbedingungen: Angestellte, Selbstständige, Werkverträge, Künstler*innenverträge, etc. Auch die Einnahmen aus der öffentlichen Hand sind gemischt (Kunst- und Kultur, Jugend, Soziales, Regionalentwicklung, Frauen, etc.) In einigen Förderprogrammen (z.B. EU-Förderungen, AMS-Förderungen etc.) wird ausschließlich fair bezahlt, in manchen nicht. Alle Förderungen für Arbeitsplätze müssen fair bemessen werden.
Durchforstung der Förderbestimmungen auf Fair Pay feindliche Bestimmungen.
In einigen Förderbedingungen finden sich Fair Pay feindliche Bestimmungen, wie z.B. das Verbot, Eigenhonorare anzurechnen oder eine prozentuelle Schranke für den Anteil der Gehälter am Gesamtbudget. Alle Förderrichtlinien sind diesbezüglich zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.
Freiwilligenarbeit – Ehrenamt muss man sich leisten können.
In vielen Kulturvereinen werden zusätzlich zu den bezahlbaren Leistungen noch unbezahlte Arbeiten erbracht. Manche davon in Selbstausbeutung, weil die Hoffnung auf spätere Absicherung eines Arbeitsplatzes besteht, oder weil die Leistung zumindest teilweise honoriert werden kann und die Durchführung des Projektes ohne Zusatzarbeit nicht möglich ist.
Hier sei auf die Studie des BMASK von 2016 „Das Verhältnis von Freiwilligenarbeit und bezahlter Arbeit“, Kapitel 3.1 verwiesen: „Da freiwilliges Engagement ohne finanzielle Gegenleistung erbracht wird, kann es jedoch auch negative Auswirkungen für die Freiwilligen haben, insbesondere dann, wenn diese über keine ausreichende soziale Absicherung verfügen. Hier kann es zu Zielkonflikten zwischen arbeitsmarktpolitischen und freiwilligenpolitischen Zielen kommen […]besteht die Gefahr, dass die Entscheidung, sich zu engagieren bzw. mit Freiwilligen zu arbeiten nicht so freiwillig ist, wie dies wünschenswert wäre. […]Seitens der Organisationen könnten knapper werdende Ressourcen dazu führen, dass ein Maximum an Tätigkeiten an Freiwillige ausgelagert wird und die Grenze des für Freiwillige Zumutbaren voll aus-geschöpft bzw. mitunter vielleicht sogar überschritten wird, was auch zu Druck für die hauptamtlich Beschäftigten führen kann.
Für viele Vereine ist das Team an ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen unverzichtbar. Zahlreiche engagierte Menschen wollen ihren Einsatz ausschließlich als freiwilliges Ehrenamt für die Gemeinschaft oder für die Kulturveranstaltung erbringen. Diesen Menschen muss mit einer besonderen nicht-monetären Wertschätzung begegnet werden.
Die Unterscheidung dieser beiden Arten von unbezahlt erbrachten Leistungen muss klarer erfasst werden. Die Förderstellen haben darauf zu achten, dass komplexe Freiwilligeneinsätze auch bezahltes professionelles Freiwilligenmanagement erfordert.
Strukturförderung versus Projektförderung.
Die Absicherung von Strukturen gibt den Mitarbeiter*innen in den Kultureinrichtungen mehr Spielraum um zusätzliche Finanzierungsquellen für Projekte zu finden. Die Praxis, sich mit den Overheadkosten von einem Projekt auch die Entwicklung des nächsten Projektes zu finanzieren, verursacht unentgeltlich geleistete Arbeit und lässt wenig Raum für nachhaltige Entwicklung. Daher ist es unerlässlich, die derzeit gängige Praxis zu überdenken und zu überarbeiten.
Ressourcen für die Umstellung auf Fair Pay gerechte Förderung zur Verfügung stellen.
Eine grundlegende Umstellung der Förderpraxis, der Kontrollabläufe, der Kommunikationsinhalte und der Beiratsaufgaben bedeutet zusätzliche Arbeit in der Vorbereitung- und Implementierungsphase in den Verwaltungseinrichtungen. Für diesen Prozess muss der/die Arbeitgeber*in entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen.
Fair Pay in und außerhalb der Organisation.
Bei der Erhöhung der Förderungen für Kultureinrichtungen geht es nicht nur um die faire Entlohnung der in der Organisation Beschäftigten, sondern auch um faire Honorare und Gagen für Künstler*innen, Grafiker*innen, Plakatierer*innen etc. Dies ist bei der Schließung der Fair Pay Gaps zu berücksichtigen.
Kulturpolitische Entwicklung steuern.
Offen bleiben natürlich Fragen und Baustellen, die schon bisher nicht ausreichend beleuchtet und bearbeitet wurden: Wie kommen bei engen Budgets neue Initiativen zu Förderungen? Wie kann eine Initiative ihren Fair Pay Standard halten und gleichzeitig als Einrichtung wachsen? Was ist Arbeit? Wie wird Erfolg bzw. das Ergebnis gemessen?
Der grundsätzliche Mangel an kulturpolitischem Diskurs, ausreichender Grundlagenforschung und statistischen Daten in Österreich unterstützt Fehlentwicklungen im Fördersystem. Für den zivilgesellschaftli- chen kulturpolitischen Diskurs müssen ausreichende Förderschienen zur Verfügung gestellt werden. Ähnlich wie der Österreichische Freiwilligenrat im Sozialministerium, dessen Einrichtung und Aufgaben mit dem Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr 17/2012, FreiwG) gesetzlich verankert sind, und dessen Aufgaben es ist, die Rahmenbedingungen für Freiwilligentätigkeiten zu verbessern, sollte ein entsprechendes Gremium zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kulturbereich geschaffen werden.
Föderalismusfalle entschärfen.
Kulturförderung wird vom Bund, den Bundesländern, den Städten und den Gemeinden geleistet. Zusagen einer Förderstelle werden oft von Zusagen anderer Förderstellen abhängig gemacht. Bei dieser Mischfinanzierung durch die öffentliche Hand zieht sich die Minderung der benötigten Mittel meist durch alle Förderinstanzen. Begleitet wird dieses Zusammenspiel häufig von schwerwiegenden zeitlichen Entschei- dungsverzögerungen, bedingt durch das Abwarten der Entscheidungen der anderen Förderebenen. Auch die Herstellung der Fairness von Förderungen muss auf allen Ebenen erfolgen, darf aber nicht vom „Mitziehen“ der Anderen abhängig gemacht werden. Bereits die faire Förderung durch nur EINE Förderstelle verbessert die Arbeitssituation der Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen.
Partizipation – Expert*innenwissen nützen.
In der Kulturverwaltung und Kulturpolitik werden die Kulturarbeiter*innen und ihre Vertretungsorgani- sationen viel zu selten als Expert*innen ihres Tuns wahrgenommen. Obwohl den Verantwortlichen in den Ämtern, die selbst nicht mit der Belastung der Entwicklung und Organisation von Projekten und Veran- staltungen in Eigenverantwortung konfrontiert sind, die praktische Erfahrung fehlt, wird die Expertise der Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen selten eingeholt. Bei der Umstellung des Fördersystems auf faire Förderungen, müssen diese Expert*innen aktiv eingebunden werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Der von der öffentlichen Hand abhängige Kulturbereich bedarf im Bereich der Freien Szene einer neuen Fördersystematik unter dem kulturpolitischen
Ziel, die Arbeit der Kunst- und Kulturschaffenden fair zu bezahlen.
Dazu ist unter Einbindung der Interessenvertretungen eine in mehreren Schritten und mit einem mittelfristigen Aktionsplan durchzuführende Änderung der Förderstruktur vorzunehmen.
Nur durch fair vergebene Förderungen sind die Kultureinrichtungen in der Lage, Gehälter und Honorare fair zu bezahlen.