Sich dem Kulturbereich zu widmen bedeutet oft, seinen Idealen zu folgen, sich zu verwirklichen, spannende Projekte umzusetzen, die sich an neuen Formen des Zusammenlebens erproben, der Gesellschaft etwas zurückgeben, Probleme aufzuzeigen oder Menschen zusammenzubringen, um sie zu lösen. Es bedeutet aber häufig auch, für sein Engagement Entbehrungen in Kauf nehmen zu müssen. Nur Einzelne verdienen sehr gut, die wenigsten können von ihrer Tätigkeit im Kultursektor leben. Und wenn es sich ausgeht, dann häufig nur unter prekären und unsicheren Verhältnissen: unterbezahlt, überarbeitet, ohne Planbarkeit und mit wackeliger sozialer Absicherung.
Geld für Kulturarbeit
Doch Kulturarbeit ist Arbeit und sollte auch entsprechend entlohnt werden. Dafür hat die IG Kultur die Fair Pay Kampagne gestartet. Dabei wurde ein Gehaltsschema entwickelt, das bei allen Einreichungen als Grundlage verwendet werden sollte, damit es einen einheitlichen Rahmen zur Bewertung der Leistungen gibt. Die benötigten und eingereichten Subventionen werden zwar in der Regel gekürzt, aber es geht dabei auch um einen symbolischen Akt. Langfristig soll das Schema als Grundlage für die Gewährung von Subventionen herangezogen werden. Die Berechnung der Höhe von Förderungen soll sich danach richten, dass Honorare entsprechend ausbezahlt werden können. Auch bei der Einreichung von EU-Projekten ist die Vorlage eines Schemas, an dem sich der Verein orientiert, hilfreich.
Seit Beginn der Kampagne hat sich im Kleinen etwas getan. Beiräte akzeptieren die Richtlinien, Diskussionen über Höhe von Honoraren und Personalkosten werden nicht mehr so stark eröffnet, wie früher, so Gabriele Gerbasits von der IG Kultur. Auch die Durchführung der Studie zur sozialen Lage könnte eine mögliche Folge davon sein, dass die IG Kultur das Thema langfristig auf die Agenda setzen konnte.
Doch was tun, wenn Arbeit nun mal nicht entsprechend bezahlt werden kann, weil das Geld dafür nicht da ist? Sollte man die Lücken nicht mehr füllen, die von der Politik offengelassen werden? Gerbasits meint, dass bei mangelnder Projektfinanzierung, also wenn Gehälter nicht ausbezahlt werden können, die dafür benötigt werden, um es umzusetzen, das Projekt auch nicht durchgeführt werden sollte. Von politischer Seite könnte eine Art Berliner Modell angedacht werden, nämlich die Bedingung, Gehaltsrichtlinien einzuhalten, wenn mit öffentlichen Geldern gearbeitet wird. Das würde mehr Geld brauchen oder aber bei gleichbleibendem Fördervolumen bedeuten, dass es weniger Projekte gibt. Politisch müsste man es aber größer denken, so Gerbasits. Nämlich danach fragen, wohin sich Österreich entwickeln soll, wie der Kulturbereich aussehen soll und welche Verknüpfungen es zu anderen Bereichen gibt. Wenn man sich darüber im Klaren ist, könnte man über die sinnvollste Art der Finanzierung nachdenken. Doch so weit kommt es gar nicht.
Viel Idealismus für wenig Marie?
Wie sehen die Arbeitsverhältnisse im Kulturbereich konkret aus? Wie geht sich das finanziell aus und wie vereinbart man das mit der eigenen Lebensplanung? Wie landet man im Kulturbereich und was motiviert dennoch so viele Menschen, sich aktiv einzubringen? Ich habe mit verschiedenen Kulturtäter*innen gesprochen, wie sich das so ausgeht, ein Leben im Kulturbereich. Und warum man sich das antut. Es sind Geschichten von unsteten Arbeitsverhältnissen, unsicherer Lebensplanung, zwischen Beruf und Ehrenamt und mit einer gehörigen Portion Idealismus. Es ist nicht untypisch, sich im Kunst- und Kulturbereich durch schwierige Umstände zu boxen, schwere Zeiten durchzustehen, woanders zu arbeiten, um es sich quasi leisten zu können, sich ehrenamtlich einzubringen.
Auf der anderen Seite stehen gewisse Freiheiten, ein hohes Maß an politischem Engagement, Fleiß, Willen, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Das Stereotyp vom „Hungerkünstler“, von leidenden Kulturschaffenden, versöhnt Menschen in strikteren Arbeitsverhältnissen mit geringeren Selbstentfaltungsmöglichkeiten mit der eigenen Unfreiheit. Nach dem Motto: In Kunst und Kultur sind sie zwar freier, aber wenigstens geht’s ihnen nicht gut dabei!
Günther Friesinger, Geschäftsführer von Monochrom, meint, dass die Individualität von Kunst- und Kulturschaffenden damit zu ihrer Schwachstelle wird. Sie nehmen sich aus den Verhältnissen heraus, damit aber auch aus den Arbeitsverhältnissen und damit verbundenen Ansprüchen. Konstruiert als Gegenstück rationeller Arbeitsweisen werden unstete Verhältnisse, schwierige ökonomische Situation und mangelndes soziales Netz beinahe zu Attributen von Kunst- und Kulturschaffenden. Sie werden fast schon als Grundvoraussetzungen von künstlerischem Schaffen betrachtet.
Friesinger hat sich für das Magazin „prekär leben“ Gedanken über das Kulturmenschenbild gemacht, sozusagen eine Kunst und Kultur-Anthropologie angestrengt. Erfrischender Weise ist er dabei vom üblichen Geniekult abgekommen und nimmt eine marxistische Perspektive ein. Er meint, dass von Kunst- oder Kulturschaffenden geradezu erwartet wird, etwas Besonderes zu sein. Diese Selbstüberhöhung kommt mit der Weigerung, sich an finanziellen Motiven zu orientieren. Dabei hat man gewisse Fähigkeiten, die wertvoll sind und auch monetär entlohnt werden sollten. Die vielen in prekären Verhältnissen Tätigen sollten sich dabei viel eher als Kulturarbeiter*innen verstehen und damit den Begriff der Arbeit in das Zentrum ihres Schaffens rücken. Damit ließen sich auch Ansprüche transportieren. Dafür wird es eine breite Solidarisierung brauchen. Das Thema Sozialpolitik ganz oben auf die Agenda zu setzen ist ein gutes Mittel gegen eine Poliitk, die den Sozialstaat nachhaltig auszuhöhlen versucht.
Podcast zum Thema: